Der gesunde Darm ist Grundlage für unser Wohlbefinden.
Das Rektumkarzinom (Mastdarmkrebs) kann heute laut Schumpelick (RTWH Aachen -
Auswertung der internationalen Literatur) in 85% der Fälle ohne künstlichen Darmausgang (Anus
praeter) operiert werden. 50% aller Patienten überleben inzwischen länger als 5 Jahre und gelten
damit als geheilt. Natürlich ist die Chance, von einem Rektumkarzinom geheilt zu werden um so
höher, je kleiner der Tumor ist und wenn noch keine Metastasen vorliegen.
Die letzten 4 cm des Darms ist der Analbereich. Der Mastdarm liegt zu einem Drittel (4 cm) im
unteren Teil der Bauchhöhle und zu zwei Dritteln (8 cm) außerhalb der Bauchhöhle im kleinen
Becken. Hier ist das Rektum von einer Fettmanschette eingescheidet, in der auch die
zugehörigen Lymphknoten liegen. Aus dieser anatomischen Besonderheit ergibt sich, dass ein
Karzinom des Mastdarmes beim Überschreiten der Darmwand in den meisten Fällen in diese
Fettmanschette wächst und auch die erste Metastasierung in die Lymphknoten innerhalb dieser
Fettmanschette stattfindet. Aus diesem Grund ist ein Karzinom des Mastdarms innerhalb 4 bis 12
cm ab ano meist ein lokal abgegrenztes Problem. Im obersten Bereich kann jedoch eine
Infiltration der Organe des Unterbauches stattfinden und im untersten Bereich ist die Infiltration
der Analmuskulatur möglich. Außerdem können bei Befall des Analbereiches (Analkarzinom) auch
Leistenlymphknoten auftreten. Bei Verschleppung von Tumorzellen im Blutgefäßsystem tritt eine
Metastasierung in der Leber und in seltenen Fällen in der Lunge auf.
In den Anfängen der Rektumchirurgie wurde bei Befall des Rektums eine Entfernung des Rektums
mit Anlage eines Anus praeter vorgenommen. In den 70er Jahren konnte gezeigt werden, dass
der Erhalt der natürlichen Kontinenz keine Abstriche bei der lokalen Tumorkontrolle erfordert,
wenn der Analbereich nicht infiltriert ist. Hier wird ein Sicherheitsabstand von 5 cm gefordert, die
zum Rektum gehörigen Lymphknoten müssen entfernt werden.
Auf Grund neuerer Studien kann der Sicherheitsabstand auf 2 cm vom Tumor reduziert werden.
Ist die umgebende Muskulatur des kleinen Beckens oder die Analmuskulatur infiltriert, kann der
künstliche Darmausgang nicht vermieden werden. Um die kurzen verbleibenden Anteile des
Mastdarms/Afters wieder mit dem restlichen Dickdarm verbinden zu können, werden ausgefeilte
Nahttechniken und Klammernahtgeräte eingesetzt. Heute gelingen z.B. koloanale Anastomosen,
die den Dickdarm direkt mit dem After verbinden oder auch Nahttechniken, bei denen wieder ein
Reservoir hergestellt wird. Voraussetzung ist allerdings ein gut funktionierender Schließmuskel
und die korrekte Nervenfunktion. Bei bereits vor der Operation nachweisbarer mangelhafter
Funktion des Schließmuskels, ist eine Verschlechterung mit massiver Inkontinenz zu erwarten.
Hier ist zu einem Anus praeter zu raten. Um diese Patienten identifizieren zu können, sollte vor
der Operation eine Sphinktermanometrie durchgeführt werden, wenn der Verdacht auf eine
Minderfunktion des Ausscheidungsorgans besteht.
Die Chirurgie des Rektumkarzinoms wurde durch die von Heald (England) entwickelte "Totale
Mesorektumexzision" weiter verbessert. Hierbei wird unabhängig von der Höhe des im Rektum
liegenden Karzinoms die gesamte Fettmanschette unter Schonung der umgebenden Nerven bis
zum Beckenboden entnommen. Mit dieser Methode werden auch befallene Lymphknoten entfernt,
die sich weiter als 2 cm vom Ende des Tumors befinden. Ein solcher Befall wurde in mehreren
Studien nachgewiesen. Durch diese Methode wurde die Rate der Lokalrezidive weiter gesenkt
(<10%).
Eine erweiterte Lymphknotenresektion, die neben dem Mesorektum und der Lymphknoten der
Arteria.und Vena mesenterica inferior auch die Lymphknoten der Beckengefässe mit einbezieht,
scheint zwar eine weitere geringradige Verbesserung der Tumorkontrolle zu erbringen, erhöht
aber das Risiko von Blasenentleerungsstörungen sowie Störungen der Sexualfunktion und
Analsphinkterfunktion unverhältnismäßig. Diese erweiterte Lymphknotenentfernung wird vor allem
in Japan (z.B. Hojo) propagiert und durchgeführt. Auch bei der in Deutschland üblichen
Rektumresektion muss mit einer Blasenentleerungsstörung und einer Störung der Sexualfunktion
bis zu 30% gerechnet werden.
Bei Befall umgebender Organe muss bei einer Operation der Tumor komplett entfernt werden.
Diese sehr aufwendigen Operationen sollten nur in dafür ausgerüsteten Kliniken durchgeführt
werden. Außerdem ist bei dem relativ hohem Risiko dieser Operationen das Nutzen/Risiko-
Verhältnis genauestens zu bewerten und mit dem Patienten zu besprechen. Die endgültige
Entscheidung über das Ausmaß der Operation muss während des Eingriffs fallen.
In den meisten Kliniken wird bei den tiefen Anastomosen nach Rektumresektion ein künstlicher
Darmausgang zum Schutz der Anastomose angelegt, dieser Anus praeter wird nach 6 bis 24
Wochen wieder zurückgelegt. Der genaue Termin hängt vom Zustand der Patienten und von einer
eventuellen Nachbehandlung ab. Zum Beispiel kann die Zurückverlegung erst drei Wochen nach
Abschluss der Chemotherapie durchgeführt werden. Nach der Zurückverlegung des künstlichen
Ausgangs ist die natürliche Funktion wieder hergestellt. Gelegentlich treten jedoch postoperativ
Probleme mit einem vermehrten Stuhldrang und kleinen Stuhlmengen auf.
Die minimal-invasive Chirurgie spielt in der Rektumchirugie noch keine herausragende Rolle, in
Deutschland werden etwa 10 % der Rektumkarzinome laparoskopisch operiert. Die Studienlage
zeigt jedoch, dass die Ergebnisse in den Händen sehr erfahrener laparoskopischer Chirurgen
nicht schlechter sind als die "offenen" Verfahren. Kleine Rektumkarzinome können über den Anus
mittels "Transanaler Endoskopischer Mikrochirurgischer Chirurgie" entfernt werden. Hier darf
jedoch kein Fortschreiten des Tumors über die Schleimhaut stattgefunden haben.
Derzeit ist die Radio-Chemotherapie nach Rektumresektion, bzw. vollständiger Rektumentfernung
bei histologisch nachgewiesenem Befall der Lymphknoten oder wenn der Tumor die
Muskelschicht erreicht hat, Standard. Ob sich diese zusätzliche Behandlung erübrigt, wenn alle
Lymphknoten und das komplette umgebende Fettgewebe entfernt sind (z.B. totale
Mesorektumexzision) ist derzeit Thema von Studien. Präoperativ werden Bestrahlungen
angewandt, um einen nicht resektablen Tumor zu verkleinern und damit vollständig entfernen zu
können. Außerdem wird die präoperative Bestrahlung angewendet, wenn sich in den
Untersuchungen zeigt, dass der der Tumor bereits die gesamte Darmwand erfasst hat oder dass
sich bereits Lymphknotenmetastasen in der Nähe des Tumors gebildet haben. In einigen Kliniken
wird eine Bestrahlung noch während der Operation durchgeführt. Hier treten jedoch gehäuft lokale
Komplikationen auf. Auch bei nicht vollständig entferntem Tumor oder einer lokalen Entfernung
des Tumors sollte eine Radio-Chemotherapie durchgeführt werden.
Metastasen in Lunge oder Leber können heute bei begrenztem Befall chirurgisch vollständig
entfernt werden. In den letzten Jahren hat sich die thermische Zerstörung von Metastasen (Laser,
Verkochen, Zerfrieren) stürmisch entwickelt und kann so eventuell Patienten mit nicht zu
resezierenden Metastasen helfen.
Zur weiteren Verbesserung der Prognose von Patienten werden weiterhin Studien durchgeführt,
die den Wert der noch fraglichen Therapien feststellen werden.